Hygge. Dieses magische Wort, das nach flackerndem Kerzenlicht, dampfendem Tee und perfekt unperfekten Momenten klingt. Wer nach Dänemark zieht, erwartet eine Welt voller Gemütlichkeit, freundlicher Menschen und eines Lebens, das einfach… entspannter ist.
Aber dann kommst du mit drei Kindern. Und plötzlich sieht Hygge ein bisschen anders aus.

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Der Mythos Hygge – und unsere Realität mit drei Kids
Dänemark strahlt eine Gelassenheit aus, die fast ansteckend ist. Die Menschen rennen nicht – sie gehen. Sie drängeln nicht – sie warten. Selbst zur Weihnachtszeit, wenn deutsche Einkaufsstraßen einem Überlebenskampf gleichen, bleiben Dänen tiefenentspannt.
Wir? Wir kamen mit unserem deutschen Familienchaos mitten in diese Hygge-Oase – und knallten erstmal volle Kanne gegen die Wand der Entspannung.
Jedes Kind kämpft seinen eigenen kleinen Kampf
• Unser Ältester:
Er musste alles zurücklassen. Seine Freunde, seine gewohnte Umgebung, seine Sicherheit. Er war untröstlich und sicher, dass er nie wieder Anschluss finden würde. Und dann die Sprache – eine völlig neue Welt, die ihm Angst machte. Als großer Bruder trägt er sowieso schon viel Verantwortung. Er ist rücksichtsvoll, geduldig – aber auch der flauschigste Knuddelbär hat seine Grenzen.
• Unser Mittlerer:
Plötzlich Mittelkind. Rolle unklar. Lösung? Lauter, wilder, chaotischer. Seine Trauer über den Umzug mischte sich mit Verlustschmerz – vor allem wegen eines ganz besonderen Nachbarn, mit dem er eine enge Bindung hatte. Sein Abschied fiel ihm schwerer als erwartet, und er suchte nach einem neuen Platz in unserer Familienstruktur.
• Unsere Jüngste:
Sie hatte es am einfachsten. Für sie zählte nur eines: Wir sind zusammen. Ihr sicherer Hafen war nicht die alte Heimat, sondern ihre Familie. Sie war es auch, die oft die Stimmung rettete – als kleine Friedensstifterin, die mit einem Lächeln unser Chaos entschärfte.
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Hygge kann helfen – wenn man es zulässt
Dänemark zwang uns, runterzukommen. Und zwar nicht durch Belehrungen, sondern durch ein ganzes Land, das sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
• Niemand hetzt. Nicht beim Einkaufen, nicht im Straßenverkehr, nicht mal in der Schule.
• Erzieher & Lehrer? Entspannt. Kein Drama, keine Panikmache – alles wird in Ruhe geregelt.
• Spaziergänge am Meer? Ein tägliches Ritual, das uns allen mehr bringt als jede Erziehungsratgeber-Lektüre.
Wir begannen uns anzupassen. Ich, die Mutter, die sonst mit tausend Sachen in die Kita stürmt, schweißgebadet und hektisch? Ich hielt inne. Ich sah mich um. Keiner war gestresst. Also ließ ich los.
Und die Kinder? Sie fingen an, wirklich frei zu spielen. Ohne Zeitdruck, ohne Hektik. Sie tobten, sie lachten – sie waren einfach Kinder.
Aber es war ein Prozess. An manchen Tagen war es schwer. Die Kinder mussten sich an neue Rituale gewöhnen, neue Freunde finden, eine neue Sprache verstehen. Aber mit der Zeit wurden die Wogen glatter, das Chaos ein wenig leiser – oder besser gesagt: es störte uns einfach weniger.
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Aber: Die dunkle Seite der Gelassenheit
Hygge klingt perfekt, oder? Nun ja… fast. Denn mit dieser Gelassenheit kommt eine gewisse Unzuverlässigkeit, die uns anfangs fast den Verstand raubte.
• Handwerkertermin am Freitag um 9? Kann auch „in drei Monaten“ heißen. Oder „nie“.
• Vermieter, der verspricht, sich bald zu melden? Bedeutet: Irgendwann. Vielleicht.
• Ein „Das klären wir bald“? Ist nicht mal gelogen – es ist nur ein sehr, sehr flexibles „bald“.
Diese endlose Entspanntheit kann einen anfangs wahnsinnig machen. Man kann sich aufregen, sich beschweren, Pläne machen – oder man kann sich daran anpassen.Und genau das taten wir.
Tief durchatmen. Kaffee trinken. Akzeptieren.
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Unser Fazit: Hygge funktioniert – wenn man es nicht erzwingt
Dänemark hat uns verändert. Unser Familienleben ist nicht stiller geworden (Gott bewahre!), aber freier. Unsere Kinder sind lauter als jemals zuvor – aber gelassener. Und wir? Wir haben gelernt, dass Hygge nicht bedeutet, dass alles perfekt ist. Sondern dass man sich erlaubt, unperfekt zu sein.
Und wenn der Handwerker doch mal nicht kommt? Dann trinken wir eben erstmal einen Tee.
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Deine Meinung:
Kennst du das Gefühl, zwischen Entspannung und Wahnsinn zu schwanken? Schreib es in die Kommentare – ich bin gespannt!
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